Marie
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Was danach geschah [IX]

[30. und 31. Dezember 1916]
Am 30. während des Mittagessens kam ein neuer und sehr starker Anfall von Atemnot und Erstickung. Die Fenster wurden weit aufgemacht, Dr. L., den ich holen liess, kam und machte eine Morphiumspritze. Nach einiger Zeit beruhigte sich der Anfall. Ich wusste aber mit dem Augenblick genau. Es war eine ernste Mahnung. Das Ende war nicht fern. Zitternd, bis ins Tiefste erschüttert verbrachte ich den Tag. Auf das Atmen lauschend, was immer lauter und beängstigender klang, je näher sich der Tag dem Ende zu neigte. Die Nacht begann. Ich schlief überhaupt nicht. Qualvoll war das Atmen zu hören. Betend faltete ich die Hände. Ich wusste ja, grösser als der Helfer ist die Not ja nicht. Dieses Wort hatte mir Tante Toni in einem Brief geschrieben, der gerade am 30. angekommen war. Ich flehte zum lieben Gott in meiner Herzensangst, erlöse ihn, lass ihn nicht mehr leiden, aber verleihe ihm Kraft, es zu ertragen.
Curt war in der Nacht sehr unruhig, immer wurde das Licht angedreht. Gegen 6 Uhr früh hatte er nach Frida geklingelt, er wolle Wasser haben. 1/2 7 Uhr verlangte er den Bademeister Gottfried, um sich abreiben zu lassen. Dieser kam auch und rieb ihn ab. Er schwitzte so sehr. Ich hatte in der Nacht tüchtige Migräne gehabt, die ich aber mit Aspirin vertrieben hatte. Um 9 Uhr besuchte uns L., dann verging der Morgen. Da Curt so sehr schwitzte überzogen wir ihm sein Bett frisch. Während des 2. Frühstücks begann wieder ein neuer Anfall. L., den ich holen liess sagte mir, ich solle nur Morphiumtropfen geben. Das tat ich auch und dann trat ein wenig Ruhe ein. Während ich Mittag ass schlief er etwas. Nach dem Essen kam die Schwester noch einmal herein und sagte mir, dass wenn sich der Anfall wiederholen würde Dr. L. sie beauftragt hätte eine Morphiumspritze zu machen. Ich legte mich nun ein wenig hin. Da gegen 2 Uhr kam ein neuer Anfall. Ich liess die Schwester kommen, die ihm auf sein Flehen eine Morphiumspritze machte. Er sprach noch seine Verwunderung aus, wie wenig das Morphium beruhigte, dass er nicht schlafen könne. Dann verliess uns die Schwester, schickte mir aber auf mein Bitten die Frida. Kaum war diese im Zimmer so erneuerte sich der Anfall. In diesem Augenblick fing Curt sich an zu verändern, die linke Hand und die Stirn wurden blau. Es war furchtbar. Bis kurz vorher hatte er noch über die furchtbaren Schmerzen in seinem Bein geklagt. Wir mussten ihn in den letzten zwei Tagen deshalb oft umbetten. Als die Veränderung eintrat bat ich das Mädchen mir um Gottes Willen die Schwester zu holen. Nach mir endlos erscheinender Zeit kam diese schliesslich, verliess uns aber gleich wieder um den Doktor zu holen. Curt sprach jetzt schon nicht mehr. Als Doktor Sch. das Zimmer betrat sagte er gleich, hier sei nichts mehr zu machen. Er veranlasste mich, dass ich mich hinsetzte. Ich tat das auch, sah ich doch selber ein, dass ich nun Curt nichts mehr helfen konnte.
Nach ungefähr 10 Minuten war der furchtbare Todeskampf ausgekämpft. Ein letztes Bewegen des Kopfes, ein letztes Seufzen. –
Curt hatte ausgelitten. – Es war 3/4 3.

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