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Statt eines Nachrufs: ein Brief

Die in den Tagebüchern erwähnten Karten und Briefe von Curt und Marie sind leider nicht erhalten. Bewahrt wurde aber ein Brief, den der Kronprinz von Sachsen an Curt schrieb, als dieser im Sanatorium war. Der Prinz war wohl ein Regimentskamerad von Curt, aber nicht mit ihm an der Front. In seinem Brief versucht er Curt Trost zu spenden. Er schreibt diese Zeilen einen Monat vor dessen Tod, der wohl erahnt wird, da keine Genesungswünsche mehr formuliert werden, sondern nur der Wunsch, Curt möge sich dem „gütigen Willen“ Gottes ergeben. Dies ist das einzige handschriftliche Dokument und soll darum zum Abschluss noch gezeigt werden.  [FvC] 29.11.16 Lieber C.! Mit aufrichtiger Teilnahme hörte ich vor kurzem, daß Ihre Gesundheit leider nicht auf der Höhe ist. Sie Armer haben wirklich viel durchzumachen – und ich nehme an Allem was Sie bedrückt und sorgt herzlichst wärmsten Anteil. Ein Gedanke tröstet mich: daß Alles was sie während des Krieges gelitten haben, seelisch wie körperlich – und noch durchzumachen haben – Fügung des lieben Gottes ist zu Ihren und der Ihrigen Lasten. …

Epilog [II]

Als Marie ihre Aufzeichnungen beendete, war der Krieg noch nicht vorbei. Wie das Tagebuch berichtet, war bereits vor Ablauf des ersten Kriegsjahres Curt verwundet worden und seine beiden Brüder gefallen. Die Mutter der drei Brüder starb im zweiten Kriegsjahr, nur die Schwester Elsa überlebte den Ersten Weltkrieg; sie starb dann bei der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg am 13. Februar 1945. Auch Marie konnte sich ihrer „herrlichen, aber auch schweren Lebensaufgabe“, nun ganz für ihre „Jungens“ zu leben, nur noch kurze Zeit widmen. Sie hatte sich wohl bei der Pflege Curts angesteckt und starb ein halbes Jahr nach dem ersehnten Kriegsende am 4. Mai 1919 in Tiengen. Sie wurde neben Curt in Dresden begraben. Die vier Jungen wurden nach dem Tod beider Eltern alle gemeinsam von ihrer Tante und ihrem Onkel, Maries Schwester und Schwager, zu deren eigenen fünf Kindern aufgenommen und von ihnen großgezogen. Von den vier Söhnen Curts und Maries überlebten alle den Ersten, nur zwei von ihnen auch den Zweiten Weltkrieg. Die vier Söhne Curts und Maries als junge Männer.   

16. IX.

Früh am 16. Antwort ergibt, dass meine Nachricht von Verwundung noch nicht angekommen ist. Marie will am 17. kommen, halte es der Züge wegen für ausgeschlossen. * Bis hierher gehen Curts Aufzeichnungen.  Ich setze sie in Kürze fort.  – Marie –  

13. IX.

Vorhin am 13.9. wurde einer geholt, nach einer halben Stunde war er wieder da, ein Bein amputiert. Er wacht jetzt auf. Es ist schrecklich so viel Jammer und Elend zu sehen und zu hören. Er ist anscheinend noch im Dussel und spricht und schreit. Der Saal riecht furchtbar nach Äther und ähnlichen Sachen. Gegen Mittag kommt N. 108 und sagt mir, ich solle mich fertig machen. Ein Fliegerauto will uns nach Montmedy bringen, wo Bahnanschluss. Auch Leutnant v. S. 177 bei der Etappe Vouziers ist rührend, schenkt mir ein Stück Seife.- Abfahrt über Stenay, Buzaney nach Montmedy. Sehr interessante Fahrt. Umgehungsbahn im Bau. In Montmedi in den 2. Bayrischen Lazarettzug. Fahrt über Diedenhofen, Esch, Kaiserslautern, Worms, nach Ochsenfurt. Dort Nachricht, dass wir nicht, wie geplant, nach Nürnberg, sondern nach Würzburg kommen. [Der nächste Tagebucheintrag folgt am 15. September.]

12. IX.

Am 12. früh Aufbruch nach Vouziers. Anschluss an die Bahn. Komme ins Lazarett. Soll heute noch untersucht werden. Habe Angst wegen der Beweglichkeit des Beines. Professor E. aus Bonn hat mich soeben untersucht. Ich hätte Glück gehabt. In einigen Tagen könnte ich weiter. Ein Nerv, der Wadennerv scheine angegriffen. Die Verpflegung ist gut. Ich liege mit 16 Mann zusammen. Alle sehr ruhig, leidend.

11. IX.

11. September. Heute erst komme ich dazu nachzutragen. Am 8. Fortsetzung der Schlacht von Sompuis. Die Vorgänge sind bei mir jetzt verwischt. Es war ein dauerndes Vor. Der Feind ging zurück, überfiel und kam wieder mit Feuer. So auch das letzte Mal. Das II. Bataillon hatte schon 8 Geschütze erobert, da bekam es plötzlich Flankenfeuer. Wir auch. Entwickele die Kompagnie, nehme Feuer auf gegen Waldrand. 900 m. Artillerie unterstützt ausgezeichnet. Plötzlich halblinks, wo II. Bataillon stand, Infanteriefeuer. Ich schiesse mit 400 m. Plötzlich ein Schlag auf meinen linken Absatz. Es beginnt nun die eigentliche Leidensgeschichte. Der Schuster H. und Ö. tragen und zerren mich aus dem Feuer. Meine Schützenlinie geht zurück. Im Infanterie- und Artilleriefeuer. Erst in eine Deckung. 3 Verbandspäckchen. Nach langer anstrengender Arbeit endlich nachts Bahnwärterhaus bei Sompuis erreicht. Erstes Wasser und Trinken seit Tag vorher. Unterarzt L.-ey oder H.-ei verbindet, schient. Bleibe die Nacht dort, früh Morphium. Gegen Mittag Sanitätskompagnie holt uns ab und will uns nach Sompuis bringen, das von den Franzosen angegriffen, die Kirche mit Artillerie beschossen wird. Weiter am …

7. IX.

Sou dé Croix. 7.9.14. 3° Vorm. Gestern am Sonntag ist, wie üblich, für das III. Bataillon ein Hauptarbeitstag gewesen. 3/4 5° Vorm. marschierten wir ab. Gegen 9° Abends war Schluss. Nach der Karte haben wir 52 Kilometer gemacht. Die Leute waren glänzend. Sie schimpften wohl mal laut, Hunger etc. Als es mir aber kurz vor dem Ziel gelang, ein Brot zu verteilen 1 : 234 war die Stimmung schon besser. Die Feldküche kam bald und schlafen sie jetzt, wie die Steine in den Scheunen. 3/4 Stunde von hier stellte T., der Radfahrer und Mädchen für Alles, Franzosen fest. Ich bin daher zur Sicherheit aufgestanden, fürchtete einen Überfall. Der 5. September wurde Rasttag. Nachmittag Feldgottesdienst. N. sprach glänzend. Sirach 50. Eine erhebende Feier. Tief ergreifend, voll Dank und Zuversicht. Das Lied „Nun danket alle Gott“ war mächtig, gesungen von Tausenden die empfanden was sie sangen.- Was der Tag heute bringt? Die I. Armee steht vor Paris, etwas südlich die II. Dann mehr nach Süden die III. Gestern den ganzen Tag vor unserer Front Kanonendonner. Wir sind …

4. IX.

4. Liegen heute Abend in Isse an dem Marne Kanal. Grosser Jubel, liebe Marie, als Deine Briefe und Sendungen kommen. Franz B. erscheint mit einer Flasche Rolderer Sekt. Wir trinken sie in seiner Abwesenheit auf das Wohl der in der Heimat gebliebenen. Die Nachricht von Heinzens Erkrankung hat mich nicht erreicht, wie ich schon auf der ersten Karte schrieb. Es ist doch zu merkwürdig. [Der nächste Tagebucheintrag erscheint am 7. September.]

3. IX.

3. Früh Alarm. Abmarsch 8° nach Baconnes. 11° eingetroffen. Rast bis Abends. Glühende Hitze. Ein Civilist wurde erschossen, wegen tätlicher Angriffe auf einen Grenadier. So angenehm der Tag anfingt, so schrecklich endete er. Vormarsch nach der Marne. Als Vorhut Wald bei Livry erreicht. Feuer von französischer Nachhut. Kompagnie greift ein. Grässliches Feuer von allen Seiten. Mache einen Sturmangriff. Am Waldrand bleibt Schützenlinie liegen, da Feuer überallhin einschlägt. Habe 15, 20 Mann verwundet. Leutnant F. +, R. verwundet. W. +. Ich bin ganz niedergeschlagen und kämpfe dauernd mit den Tränen. Mein Rücken tut mir so weh, schon tagelang. Wenn nur bald die Entscheidung fiele und der Krieg hier zu Ende wäre! Wir sind alle ganz kaput [sic]. Heute Abend werden wir wohl die Marne überschreiten. Wenn ich nur das Eiserne Kreuz oder die Heinrichsmedaille bekäme, das wäre eine Aufmunterung. Es ist wieder anders geworden. Festung Reims von 23. Res.Id. Sachsen im Handstreich genommen! Wir sind im Besitz der Marne. Abmarsch nach Westen.