Marie
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Was danach geschah [X]

[31. Dezember 1916]
Ich verliess dann mit Doktor Sch. das Sterbezimmer und wurde von der Schwester in ihr Zimmer gebracht. Lange, lange Zeit hatte ich nur das Gefühl als ob ich das alles nicht erlebt, sondern nur geträumt hatte. Ich dachte, ich müsste wieder erwachen aus dunklem, schweren Traum. Es konnte ja nicht sein, dass alles vorbei war. Vorbei unser Zusammensein, meinen Jungen der Vater genommen. Mein Glück zerstört. –  Nun musste ich etwas tun. Ich schrieb Telegramme, die alle des Sonntags wegen erst zwischen 5 und 6 Uhr befördert wurden. Da ich sie aber dringend aufgab dachte ich, sie würden in Dresden noch abends ankommen. Sie sind aber alle erst am nächsten Tag angekommen. Dann ging ich zu Dr. L. mit dem ich alles Nötige wegen der Überführung u.s.w. besprach. Ich selbst beschloss Dienstag den 2. Januar abzureisen. Die Leiche sollte erst Mittwoch überführt werden. Auf dem Rückweg von L. traf ich Fräulein R. Sie war so lieb und gut. Ich durfte gleich ihr Zimmer benutzen und habe mich den ganzen Tag und auch den nächsten dort aufgehalten. Nachts musste ich im Verwaltungsgebäude schlafen. Frau H. und Fräulein R. waren abwechselnd immer bei mir. Ich habe beide so lieben und schätzen gelernt. Ihre rührende Sorge werde ich niemals vergessen. In solchen Stunden ist man ja doppelt dankbar für jedes Zeichen von Liebe. Am 1. Januar stand mir noch eine schwere Arbeit bevor. Das Packen unserer Sachen. Von meinem geliebten Curt hatte ich noch Sonntag gegen 5 Uhr einen letzten Abschied genommen.

[Der nächste Eintrag folgt am 2. Januar.]

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