[18.-25.9.1914. Würzburg und nach Dresden]
Wie Curt schon vermutete kam ich erst am 18. September in Würzburg an. Da ich in Nürnberg übernachten musste. Meine Reise bis dorthin machte ich mit Grete N., wir erwarteten gegen 7 die Ankunft von ihm, N., der verwundet aus Würzburg kam. Er sah sehr elend aus. N.s fuhren am 18. früh nach Dresden. Da mein Zug richtung Würzburg erst Mittags abging machte ich noch eine Rundfahrt durch die Stadt, frühstückte dann im Hotel und fuhr dann fort. Ich kam in der 2. Stunde in Würzburg an und stieg im Reichshof (bis zu Beginn des Krieges hiess er Russischer Hof) ab. Ich ass erst zu Mittag und begab mich dann ins Juliusspital, was ganz nahe vom Hotel lag. Das Wiedersehen war für uns beide überwältigend und doch traumhaft schön. Ich fand Curt älter geworden, kein Wunder nach allem was er durchgemacht hatte. Die stille Schwester Marie pflegte ihn rührend. Die Wunde war aber viel viel schlimmer, als wir uns alle es gedacht hatten. Curt trug aber die Schmerzen mit rührender Geduld, hatte er doch nur den einen Wunsch, bald wieder heraus zu den Kameraden zu können. Ich blieb bis gegen Abend bei ihm und ging dann ins Hotel Abendbrot essen und schlafen. Vorher hatte ich an Vater telegraphiert.
Am 19. früh wurde mir am Kaffeetisch ein Telegramm gebracht. Vater teilte mir darin mit, dass Richard [Curts ältester Bruder] am 15. September [in Frankreich] gefallen war. Der arme Curt. Unsere Wiedersehensfreude wurde dadurch sehr getrübt. Nach dem Kaffee ging ich gleich zu Curt und überbrachte ihm die traurige Nachricht. Er nahm sie ruhiger auf, wie ich dachte. Ich glaube, er war zu angegriffen und hatte schon zu schreckliches erlebt.
Mittags besuchte ich Frau von K. auf dem Pleicher Glaas 14. Eine reizende liebe Dame und ihre Tochter Else. Beide waren so lieb zu mir. Ich ass fast ständig Mittags oder abends mit ihnen im Bahnhofshotel. Sie werden mir unvergesslich bleiben. Mit Fräulein Else machte ich mehrere Besuche in Lazaretten, auch zeigte sie mir bei einer Rundfahrt die Sehenswürdigkeiten Würzburgs. Auch beim Einkauf einer Bluse war sie mir behilflich. So verliefen die Tage in Würzburg nett und gemütlich in ungestörtem Zusammensein mit Curt.
Freitag, den 25. September erlaubte der Arzt die Heimreise. Ich nahm ausser Curt noch einen jungen Leutnant F. aus Freiberg unter meine Obhut. Früh traf ich mit beiden Verwundeten auf dem Bahnhof zusammen, beide wurden auf Tragbahren in das Coupé gebracht. In Bamberg und Corbetta mussten wir umsteigen. Da es schwierig war bei den Durchgangswagen mit den Tragbahren durch die Gänge zu kommen, wurden die Verwundeten durch die breiten Fenster auf die Bahren gehoben. Dank der Hilfe eines Herrn Kommerzienrat Kalle, der eine grosse Strecke mitfuhr und einem Herrn vom Roten Kreuz, der sogenannte Reiseonkel, ging die Reise ohne Zwischenfälle ab. Unser Reiseonkel fuhr bis Dresden mit. Sogar komische Intermezzos spielten sich ab. Z.B. beim Umsteigen in Corbetta war ein weibliches Wesen derart gerührt, dass sie F. und Curt streichelte. Ihre Absicht bestand mit in unserem Coupé sitzen zu bleiben. Es gelang mir aber sie abzuwimmeln. In Leipzig mussten wir wieder heraus. Hatten dort 2 Stunden Aufenthalt, den wir schliesslich mit Hilfe des Bahnhofskommandanten im Damensalon verbrachten. Auf dem Weg durch die Bahnhofshalle war mir der Reiseonkel sehr angenehm indem er die störend an die Bahre herandrängende Weiblichkeit fernhielt. Trotzdem kamen wir aber mit Blumen in dem Damensalon an. Wir assen dort Abendbrot und setzten dann die Reise fort. In der 12. Stunde trafen wir in Dresden – A. ein. Vater war in Neustadt eingestiegen. In Altstadt erwartete uns Onkel Jury. Stabsarzt H. leitete dann das Verladen ins Krankenauto, nachdem beide Verwundeten auf ihren Bahren mit dem Gepäckaufzug heruntergelassen waren. Curt kam ins Königliche Lazarett Parkstrasse, F. auf die Lennéstraße. Ich fuhr gleich nach Hause.
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