[9. bis 24. November 1916]
Wie freute ich mich, als Curt sogar Freitag den 9. November aufstehen durfte und da herrlicher Sonnenschein war auf der Liegehalle liegen konnte. Am Sonnabend assen wir sogar mit allen im Speisesaal Mittag und tranken dort auch Kaffee. Nach dem Abendessen, an dem wir auch noch unten teilnahmen, musste ich Curt gleich wieder zu Bett legen, da die Temperatur wieder auf 37,6 gestiegen war. Nach 8 tägiger Bettruhe konnte er wieder aufstehen und auf der Liegehalle liegen. Aber auch hier misslang der Versuch und bekam er zweiten Aufstehtag wieder erhöhte Temperatur, die in den nächsten Tagen immer höher steig und nur mit Pyramidon heruntergebracht wurde. An eine Abreise von mir war nicht zu denken, Curt brauchte meine Hilfe so nötig. […]
Dr. L. behandelte den Kehlkopf mit Milchsäure und blies ihm vor den Mahlzeiten ein gelbes Pulver Ortloform ein, um das Schlucken zu erleichtern, was sich immer mehr verschlechterte. Am 22. November bat ich Dr. L. um eine Unterredung, ich musste mir Klarheit verschaffen über Curts Zustand, der mir immer beängstigender erschien. L. erklärte diesen für sehr bedenklich, um so mehr, als die Ernhährung Schwierigkeiten machte und riet eine Konsultation bei Professor K., einem berühmten Kehlkopfspezialisten in Freiburg i.B. Zunächst sollte ich aber das Ergebnis der zweiten Untersuchung am nächsten Tage abwarten. Dieses war, dass die Lunge wider Erwarten ruhiger, der Kehlkopf hingegen nicht besser geworden war. L. sagte uns für Sonnabend, den 25. November in Freiburg bei Professor K. an. Wir feierten erst am 24. November Curts Geburtstag. Reizend waren all die lieben Bekannten, die ich durch Vermittlung von Frau von M. kennen gelernt hatte. Einige davon sollten mir noch in späteren Tagen unschätzbare liebe Freunde werden, die ich nie vergessen werde. Frau von M. schickte ein Porzellanherz als Bonbonière, Frau Landrat H. eine grosse Vase mit Tannenzweigen. So innig vereint und dabei mit so namenlos wehem Herzen habe ich noch nie einen Geburtstag mit jemandem gefeiert. Heisse Tränen weinte Curt, als er die verschiedenen Sendungen aus Dresden auspackte. Besonders als er die Karten mit den lieben Bildern der Jungens sah. Es war alles so unsagbar schwer und wenn ich dies alles niederschreibe nach bald 1/2 Jahr so ist es mir jetzt noch unfassbar, dass ich immer wieder heitere Worte für ihn fand, die ihm auch stets halfen. –
Abends, nach dem ich noch alle unsere Sachen gepackt hatte, ging ich noch in das gemütliche Rauchzimmer um Abschied zu nehmen von den lieben Bekannten. Herr und Frau von M., Frau H., Fräulein R., Frau von B. Ich war den Abend doch noch hoffnungsfreudig, setzte ich doch alle meine Hoffnung auf einen operativen Eingriff von Professor K.
Wie bitter sollte ich enttäuscht werden!